Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


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Das Mentimeter zeigt die Häufigkeit verwendeter Begriffe aus der Ordnung von Adolph Friedrich III., die in Zusammenhang mit Armen und Bettlern genannt wurden. Je größer die Begriffe sind, desto häufiger wurden sie verwendet.

Das Mentimeter zeigt die Häufigkeit verwendeter Begriffe aus der Ordnung von Adolph Friedrich III., die in Zusammenhang mit Armen und Bettlern genannt wurden.

Von Gottes Gnaden / Adolph Friedrich, Herzog zu Mecklenburg [...]

Es ist männiglichen in Unsern Landen bekannt / wie viele Mühe und Landes-Väterliche Vorsorge Wir angewandt, um das lose Gesindel, Landstreicher, frembde Bettler, Zigeuner, Vagabunden, Räuber und Diebesbanden zu vertreiben, und was für mancherley Anstalten hiezu offtermahlen mit vielen Kosten gemachet worden / wie solches die publicierte Edicta mit mehren bezeugen [...].

Diskriminierende Sprache in den obrigkeitlichen Ordnungen der Frühen Neuzeit

Noch heute werden Bedürftige mit Hilfe von polemischen Begriffen an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Arbeitslose, Asylanten oder auch Langzeitstudenten werden dann gerne als ‚Sozialschmarotzer‘ abgestempelt. Ein entscheidender Vorwurf, der dabei mitschwingt: Personen, die eigentlich physisch arbeiten gehen könnten, lassen sich dennoch vom Staat bezahlen. Sie gelten damit als faul und egoistisch, da sie vermeintlich richtigen ‚würdigen‘ Armen ihre staatlichen Hilfen wegnehmen würden.

Diskriminierende und ausgrenzende Begriffe gegenüber gesellschaftlichen Randgruppen, insbesondere umherziehenden fremden Bettlern, gibt es schon sehr lange. Besonders in der Frühen Neuzeit spielten bei der Stigmatisierung von Armen, obrigkeitliche Ordnungen eine wichtige Rolle. Während unsere heutigen Gesetzestexte neutral formuliert sind und keine wertenden Begriffe enthalten, war dies in den Bettelordnungen der Frühen Neuzeit anders. Wie unter anderem durch den Vorwurf ein ‚falscher Bettler‘ zu sein, die grundsätzliche Benachteiligung begründet wurde, lässt sich im Abschnitt Notwendigkeit der Stigmatisierung nachlesen. Mit Beginn der Frühen Neuzeit nahmen die Obrigkeiten besonders umherziehende und bettelnde Arme immer mehr als Problem wahr. Man befürchtete, dass sie die ‚gute Ordnung‘ stören und die allgemeine Arbeitsmoral senken könnten. Außerdem prägten auch umherziehende Räuber- und Diebesbanden den Diskurs mit. Das sorgte dafür, dass die Ordnungen eine Reihe von ausgrenzenden, teils rassistischen Fremdbezeichnungen nutzten und so die Armen als kriminelle Außenseiter an den Rand der Gesellschaft drängten.

In der Ordnung des mecklenburgischen Herzogs Adolf Friedrich III. (1686–1752) geben die gewählten Begriffe Aufschluss darüber, wie Arme betrachtet wurden. ‚Bettler‘ wurden gleichgestellt neben ‚Räubern‘, ‚Landstreichern‘, ‚Zigeunern‘, ‚Spionen‘ und ‚Vagabunden‘ genannt und als ‚Gesindel‘ zusammengefasst. Beschrieben wurden diese Personen weiterhin als ‚lasterhaft‘, ‚gottlos‘ und ‚gefährlich‘. Weitere Merkmalszuschreibungen wie ‚fremd‘, ‚verdächtig‘ oder auch ‚schädlich‘ zeigen, wie Ängste vor fremden Armen geschürt und diese kriminalisiert wurden. Diesem Negativbild gegenüber standen die einheimischen Armen, die als ‚nothdürftig‘ und ‚nothleidend‘, ‚würdig‘ und ‚ehrbar‘ angesehen wurden. Diesen Armen gestand man zu, dass man sich um sie kümmern müsse. 

Es entstand ein Schwarz-Weiß-Bild von Armut, welches die guten Armen, die zur eigenen Gemeinschaft gehörten und ihre Armut nicht selbst verschuldet hatten, den bösen Armen, die fremd waren, die eigene Gutherzigkeit ausnutzen wollten und ihre Armut zum Teil nur vorspielten oder selbst verschuldet hatten, gegenüberstellte.  Welche Bezeichnungen bestimmte Vorstellungen und Diskurse prägten, soll im Folgenden betrachtet werden.

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