Armut denken - Armut lenken

Drucke, Handschriften und Objekte erzählen aus der Frühen Neuzeit


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Gedanken eines armen Mannes

Josef, Reinhard: Ulrich Bräker, 1793. © Toggenburger Museum Lichtensteig, Schweiz

Ulrich Bräkers Werk „Sämtliche Schriften des Armen Mannes im Tockenburg“ ist besonders wertvoll, weil es eines der ersten Zeugnisse deutscher Literatur darstellt, in denen das Leben der armen Landbevölkerung von einem Betroffenen selbst geschildert wird, wodurch es gerade auch historisch von Bedeutung ist. Fokussiert wird sich in dieser Ausstellung vor allem auf seine Tagebucheinträge, welche er zwischen den Jahren 1770 und 1782 schrieb.

Im Folgenden finden sich zwei Ausschnitte aus dem Tagebuch, in welchen Ulrich Bräker (1735–1798) auf verschiedene Aspekte seiner Armut eingeht, beispielsweise wie er diese erlebt, und in welchen er teilweise den Umgang seiner Mitmenschen mit seiner Situation beschreibt. Wichtig ist dabei zu beachten, dass der Autor seine Texte zwar so schreibt, als wären sie vertraulich und sollten von keinem anderen gelesen werden, es jedoch Anlass zu der Vermutung gibt, dass diese von Anfang an zur Veröffentlichung geschrieben wurden. Schließlich zeichnete Bräker auch ein außerordentliches schriftstellerisches Interesse aus. Er verfasste mehrere literarische Texte und gewann 1776 sogar einen Preis bei dem Aufsatzwettbewerb der Lichtensteiger ‚Moralischen Gesellschaft‘. Die Tagebucheinträge müssen also höchst kritisch betrachtet werden. Aus diesem Grund geht diese Abteilung der Ausstellung ausdrücklich auf die Selbstdarstellung ein und nicht nur auf die Selbstwahrnehmung. Denn schließlich müssen die autobiografischen Texte Ulrich Bräkers, wozu seine Tagebucheinträge zu zählen sind, als literarische Werke angesehen werden, welche ein ganz bestimmtes Bild des Verfassers zeichnen.
Dies gilt gerade auch in Bezug auf das Thema der Ausstellung, denn Armut ist immer relational, sie ist immer eine Konstruktion. Ein Mensch kann sich selbst als arm wahrnehmen, wird von anderen allerdings nicht zwangsläufig im Umkehrschluss als arm wahrgenommen und andersherum. Die Definition dessen, was als ‚Armut‘ bezeichnet wird, steht immer in Relation zu den Gruppen, die miteinander verglichen werden. Auch dies kann am Beispiel von Bräkers Texten gut beobachtet und diskutiert werden, sofern mit einem kritischen Blick an diese herangegangen wird. So besaß Bräker mit seiner Familie ein Haus, aber gerade die Schulden, die dessen Bau mit sich brachten, begleiteten ihn sein Leben lang. Er befand sich in ständiger Bedrohung, dass er sein Haus verlieren könnte. Es kann also durch die folgende Auseinandersetzung mit eben diesen Schriften in vielerlei Hinsicht auf die Selbstdarstellung der Armen in der Frühen Neuzeit geschlossen werden.

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Tagebucheintrag im März 1777

Tagebucheintrag vom 2. Februar 1779

Originaltext - Tagebucheintrag im März 1777

Transkript - Tagebucheintrag im März 1777

Originaltext - Tagebucheintrag vom 2. Februar 1779

Transkript - Tagebucheintrag vom 2. Februar 1779